Ist nähen ökologisch?


Es gibt Grundbedürfnisse des Menschen, dazu gehören Luft, Wasser, Nahrung, Gesundheit, Behausung – und Kleidung. Jeder Mensch braucht Kleidung, doch wie kann ein Prozess der Produktion gestaltet werden, der weltweit nachhaltig und fair Kleidung produziert, die alle Menschen zufrieden stellt? Ich frage mich gerade, ob dieser Bereich eigentlich traditionell weiblich ist? Es gibt zwar männliche Modedesigner, aber die Arbeit an der Basis wird hauptsächlich von Frauen gemacht, Nähen gilt als Frauensache, Mode und Kleidung als vor allem wichtig für die Frau. Sämtliche Nähblogs sind von Frauen gemacht. Ist das wie beim Kochen: es gibt zwar einige berühmte Köche, aber das tägliche Kochen zuhause wird hauptsächlich von den Frauen gemacht? Kochen, Kleidung, Pflege der Kinder und Angehörigen (man nennt es heute Care-Arbeit) sind Frauenbereiche. 

Die meisten Jobs zum Thema rund um die Herstellung von Kleidung sind unterbezahlt und unterliegen schlechten Arbeitsbedingungen. Doch nicht nur das. Die hergestellte Ware wird rund um den Globus transportiert. Und was passiert mit den Kleidungsstücken, die nicht verkauft werden? Sie werden vernichtet, verbrannt, zerschnitten. Ich will mir garnicht ausmalen, welche Unmengen das sein müssen. Und in Zeiten von Fast Fashion werden noch mehr Kleidungsstücke produziert, also noch mehr transportiert und vernichtet. Oder getragen und wieder aussortiert, weil diese Kleidung spezielle Moden bedient und oft so besonders aussieht, dass wir sie nach dieser Modephase nicht mehr tragen wollen. Aufheben? Bestimmt kommt doch die Mode irgendwann wieder? Das wäre wohl sinnvoll. Doch unser Kleiderschrank quillt meistens über und wir sind froh, ausmisten zu können und diese speziellen und oft qualitativ minderwertig hergestellten Kleidungsstücke schnell loszuwerden. Wir geben sie dann in die Altkleidersammlung und freuen uns, damit etwas Gutes zu tun. Doch stimmt das wirklich? Was passiert mit der Kleidung aus den Containern, die meistens das Rote Kreuz einsammelt?

Was passiert in der Altkleidersammlung

Ungefähr eine Tonne Kleidung pro Jahr wird in Deutschland in die Altkleidersammlung gegeben. Die Kleidungsstücke werden in entsprechenden Unternehmen per Hand sortiert, dabei wird besonders die Qualität bewertet und ob das Kleidungsstück gerade modisch ist. Die besten 2-4 Prozent werden innerhalb Deutschlands in Second-Hand Läden verkauft. Das meiste, die mittlere Qualität, wird in andere Länder transportiert, besonders nach Afrika und Asien, auf deren Second-Hand-Märkte. Dabei ist umstritten, ob dadurch der einheimische Kleidermarkt geschädigt wird oder ob die Bevölkerung dort die Kleidung sogar notwendig braucht. Beides habe ich gelesen und kann mir dazu kein klares Urteil bilden. Mindestens aber kann man sagen, dass der Transport über diese weiten Strecken nicht gerade ökologisch ist. 

Schließlich werden aus der Kleidung der schlechten Qualität Putzlappen und ähnliches erstellt, sogar für die Autoinnenraumausstattung wird sie recycelt. 

Zum Schluss bleiben trotzdem ca. 10 Prozent übrig, die in die Müllverbrennung wandern. Und das Problem ist, dass immer mehr Kleidung in schlechter Qualität produziert wird, die wir dann schnell aussortieren und die nicht mehr als Second-Hand Ware verkauft werden kann. Und da wir deshalb schnell wieder neue Kleidung kaufen – Fast Fashion -, wird noch mehr produziert und durch die Herstellung die Umwelt stark belastet. Das beginnt beim Wasserverbrauch der Pflanzen, geht über die Gifte der Verarbeitung (Färben, Waschungen), den weltweiten Transport bis hin zur Verbrennung der neuen Teile, die nicht verkauft werden konnten. Und hier sprechen wir noch nicht über die Arbeitsbedingungen der ArbeiterInnen.

Also zunächst hilft vor allem eines: hochwertige Kleidung kaufen und lange tragen. Am besten kauft man keine extreme Mode, die dann schnell nicht mehr aktuell ist. Oder Second-Hand Kleidung kaufen. Denn beides gibt das Signal an die Kleidungsindustrie, dass weniger produziert werden muss. Wo keine Nachfrage, da kein Absatzmarkt. Gerade der Gebrauchtwarenmarkt macht es trotzdem möglich, Kleidung öfter zu wechseln, ohne dass sie neu gekauft werden muss. Je hochwertiger die Kleidung neu gekauft wurde, desto länger hält sie auf diesem zweiten Markt durch. 

Ist Selbstnähen besser als Second Hand?

Was ist nun mit dem Nähen, ist Selbstnähen immer besser als Kleidung zu kaufen? 

Zunächst mal muss man feststellen: wer selbst näht, kauft in diesem Moment keine Kleidung. Man bedient also nicht den Markt der Kleidungsindustrie. Was aber braucht man? Klar, den Stoff. Also geht es letztlich noch darum, wo und wie der Stoff produziert wird, den man kauft. Abgesehen davon ist es theoretisch erstmal das Beste, Stoff aus alter Kleidung zu gewinnen, Upcycling zu betreiben, oder einen Schnitt zu verbessern, sei es, dass ein Kleidungsstück wieder passt oder dass es einfach der aktuellen Mode entspricht. 

Als Mutter nähe ich vor allem für meine Kinder und da ist es noch relativ einfach, alte Kleidung zu nutzen, aus der man Pumphosen und Oberteile nähen kann. Meistens reicht dafür ein T-Shirt, ein Pullover oder eine alte Hose. Als Innenhose für den Winter nutze ich auch gerne mal aussortierte Fleecedecken, die man dafür super upcyceln kann.

Um für Erwachsene zu nähen, braucht man etwas Erfahrung und Kenntnisse über Schnitte. Doch auch das kann man sich aneignen, gibt es doch viele Tutorials und Ideen im Internet. Ich probiere auch einfach mal etwas aus, das ist immer eine schöne Sache. Aber das ist doch nicht mehr so einfach wie bei der Kinderkleidung. 

Am besten aber finde – oder fände – ich es, wenn man das Ganze in Gemeinschaft betreiben könnte. Dabei kann man sich gegenseitig unterstützen und Kenntnisse austauschen. Klar kann man sich privat verabreden. Doch schön wäre ein Gemeinschaftsraum, ein Gemeinschaftsladen, in dem man Kaffee trinken und nähen und sich austauschen kann.